Thema des neuen Buches sind wieder die Gespräche zwischen Floco, Nestor und den Seherinnen und Sehern der „linken Seite der Emme“. Erstmals begegnet Floco aber auch anderen Schülerinnen und Schülern, die das Sehen lernen. Im Mittelpunkt der Gespräche und Begegnungen steht das ganzheitliche Sehen der transparenten fliegenden Punkte und Fäden im Blickfeld, den so genannten „Mouches volantes“. Erforscht und beschrieben werden sie als Konzentrationsgegenstand für die Meditation mit offenen Augen; als leuchtende Bewusstseinsstruktur, in welcher wir einen Weg zu unserem Ursprung zurücklegen; sowie als Ursache von Erscheinungen in Natur und Kultur.
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Das Atmungssystem und die Leuchtstruktur gleichen sich im Aufbau und in manchen Funktionen (vgl. Tausin 2007). Wie bei der Leuchtstruktur handelt es sich bei den Atemwegen um eine Baumstruktur mit zunehmend feinen Verästelungen. Mit den Bronchien und den Lungenbläschen gibt es ebenfalls röhren- und kugelartige Gebilde. Ein Unterschied zur Leuchtstruktur ist, dass die Lungenbläschen wie Trauben an den Ausläufern der Bronchien hängen, während die Leuchtkugeln nicht nur an, sondern auch in den Leuchtröhren zu sehen sind. Wie die Leuchtstruktur weisen die Bronchien und Lungenbläschen zudem das Umkreis-Kern-Prinzip auf: Schichten aus Knorpeln, Muskeln und Schleim umgeben den „Kern“, den zentralen Luftdurchgang der Bronchien. Bei den Lungenbläschen bilden eine dünne Zellschicht und das Netzwerk von Kapillaren die Hülle für den Luftraum. Die innere Luft und das äussere Blut der Lungenbläschen erscheinen wie die unvermischte helle und dunkle Energie in den Leuchtkugeln. Schliesslich können nicht nur die Leuchtkugeln und Leuchtfäden zwischen einem „konzentrierten“ und einem „entspannten“ Zustand wechseln. Auch die Lungenbläschen und Bronchien verändern das Verhältnis von Hohlraum und Umkreis. Die Lungenbläschen wachsen bei der Einatmung auf das Doppelte ihrer Grösse an. Und die Bronchialmuskulatur, unwillkürlich gesteuert durch das vegetative Nervensystem, weitet die Atemwege bei Anspannung und verengt sie bei Entspannung.
Nimmt man das Bewusstsein und die Leuchtstruktur als Ursache der Materie an, lässt sich das Atmungssystem als eine Umsetzung der Prinzipien der Leuchtstruktur begreifen. Bei der Umsetzung in die Natur wird deutlich, wie genial diese Prinzipien sind: Im Fall des Atmungssystem erhöht die Baumstruktur die Fläche für den Energieaustausch und erhält das Leben, selbst wenn einzelne Blasen an der Peripherie kollabieren; das Röhrenprinzip und dessen Zustandsveränderung regulieren den Energietransport je nach Bedarf; und das Kugelprinzip sorgt für zusätzliche Fläche beim Gasaustausch und damit für die schnellere Energieaufnahme und Kohlendioxidentsorgung. Dass die beiden Strukturen zusammenhängen, zeigt schliesslich auch das intensivere Atmen: Ob Pranayama, Hyperventilation oder einfach nur ein beherztes Durchatmen – nicht nur die Lunge und der Körper werden belebt und hell, sondern auch die Leuchtstruktur und das Bild.
Das kommt nicht von ungefähr. Die US-amerikanische Künstlerin aus Washington hat längere Zeit im hawaiischen Kailua-Kona am Meer gelebt und gearbeitet. Für sie ist das Meer ein Lebewesen mit Erinnerung, gleichzeitig sanftmütig und wild. Trudy Cole liebt es, den Geräuschen des Meeres zu lauschen oder in einen Gezeitentümpel zu blicken und eins mit dem Wasser und dem Leben darin zu werden. Ähnliche Strukturen sieht sie auch am Himmel: Neben kreisenden „Molekülen“ oder „Sternchen“ und fantastischen Gebilden und Farben in Regenbogenkreisen (Ganzheitlich Sehen 4/13 und Holistic Vision 4/12) sieht sie auch leuchtende Punkte und Fäden. Um ihrer Leuchtstruktur auf den Grund zu gehen, hat sich Trudy Cole immer wieder auf sie konzentriert und ihre Punkte und Fäden in mehreren Skizzen und Gemälden festgehalten. In Trudy Coles Bilder scheinen sich die einfachsten Strukturen des Bewusstseins mit den einfachsten Strukturen des Lebens zu verbinden. Sie erinnern uns, dass die Einfachheit des Seins nicht nur zu unserer Vergangenheit gehört, sondern auch zu unserer Zukunft. Sie liegt direkt vor unseren Augen.
Danke, Trudy, für dein Bild!
Wer Sport treibt, weiss es: vor der körperlichen Ertüchtigung ist Aufwärmen Pflicht. Durch Aufwärmübungen werden das Herz-Kreislauf-System aktiviert, Atmung und Durchblutung gesteigert, die Körpertemperatur erhöht und das Nervensystem angeregt. Dabei sind Körper und Geist untrennbar verbunden: Es wird nicht nur die Leistungsfähigkeit des Körpers gesteigert und seine Verletzungsgefahr verringert. Auch das Bewusstsein bereitet sich auf die bevorstehende Herausforderung vor, wird intensiver und dynamischer.
Die Meditation und das Sehen sind kein Sport. Aber es sind ebenfalls Situationen, die eine erhöhte Konzentration, Aufmerksamkeit und Flexibilität erfordern. Dies gilt in erster Linie für den Geist, doch um diesen anzuregen, sind auch Aufwärmübungen für den Körper sinnvoll. Nach einem Spaziergang, ein paar Lockerungsübungen oder einigen tiefen Atemzügen gelingt das Eintauchen in die Stille und das Sehen erfahrungsgemäss besser. Die Seher erreichen dies damit, dass sie für das Sehen bestimmte Plätze im Wald oder an Berghängen aufsuchen und dabei längere Zeit wandern (vgl. die Rubrik Nestors Praxistipps in Ganzheitlich Sehen 2/16).
Daneben gibt es einige Aufwärmübungen, die auf das Sehen zugeschnitten sind. Denn im Gegensatz zur Meditation mit geschlossenen Augen beansprucht das Sehen die Muskeln des Sehapparats – Muskeln, die wir im Alltag kaum je bewusst bewegen, geschweige denn trainieren. Die Praxis des Sehens verbessert sich, wenn wir diese Muskeln – und im Weiteren auch die damit zusammenhängende Gesichts- und Nackenmuskulatur – bewusster fühlen lernen und vor dem Sehen jeweils anregen. Dazu einige Übungen, die sich je nach eigenem Ermessen ausführen lassen.
Übungen für die Nackenmuskulatur
1) den Kopf langsam nach links und nach rechts drehen
2) den Kopf langsam seitlich zu beiden Seiten neigen
3) abwechselnd das Kinn zur Brust senken und den Kopf nach hinten in den Nacken bewegen
Übungen für die Gesichtsmuskulatur
1) die Augen kurz und kräftig zukneifen und wieder entspannen
2) den Mund spitzen
3) Augenbrauen heben und zusammenziehen
Übungen für die Augenmuskulatur
1) abwechselnd auf die linke und die rechte Seite blicken
2) abwechselnd nach oben und nach unten blicken
3) die Augen im Uhrzeigersinn, dann im Gegenuhrzeigersinn rollen
Übungen für Fortgeschrittene
1) die obere Lippe nach rechts, die untere Lippe nach links verschieben, dann wechseln
2) mit den Ohren wackeln (beide Ohren zusammen sowie auch einzeln)
3) Augenbrauen unabhängig voneinander auf und ab bewegen
4) Doppeln, d.h. Schielen nach innen, wobei der Konzentrationspunkt näher gezogen wird (vgl. Tausin 2009; sowie die Rubrik „Kunst“ in Ganzheitlich Sehen 1/15)
5) abwechselnd scharf und unscharf sehen (ohne Doppeln!) durch das Anspannen und Entspannen der Ziliarmuskeln, die die Krümmung der Linse regulieren