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Ganzheitlich "sehen"... Die akuellen News von www.mouches-volantes.com Bestellung: Newsletter
Dies ist der Newsletter von Floco Tausin. Seit vielen Jahren widme ich mich der Erforschung von Bewusstsein und aussergewöhnlichen Bewusstseinszuständen durch Denken, Fühlen und eigenes Erleben. Die Vermittlung von Nestor, einem im Emmental lebenden Seher, führte mich zu einem ganzheitlichen Studium der sogenannten Mouches volantes: Dies sind bewegliche Punkte und Fäden vor unseren Augen, deren Veränderlichkeit erfahrungsgemäss veränderten Bewusstseinszuständen entsprechen. Die Hauptthese von Nestor, die in meiner Arbeit überprüft werden soll, ist so originell wie provokativ: Mouches volantes sind erste Erscheinungen einer leuchtenden Bewusstseinsstruktur, in welcher wir einen Weg zu unserem geistigen Ursprung zurücklegen. Diesen Weg können wir sehen und erleben. Die Punkte und Fäden haben daher nicht nur eine Schlüsselposition in der eigenen Bewusstseinsentwicklung, sondern auch das Potential, die Ideale und Werte einer Gesellschaft radikal zu verändern.
Das Buch „Mouches Volantes“ wird immer wieder mit dem Werk des amerikanischen Ethnologen und Kultschriftstellers Carlos Castaneda verglichen. In diesem Artikel möchte ich einige markante Unterschiede zwischen der Lehre des Don Juan sowie des Nestor erläutern. Ausgangspunkt ist die Wahrnehmung und Interpretation der subjektiven visuellen Phänomene, wie sie bei Castaneda und in „Mouches Volantes“ beschrieben werden. Entsprechende Hinweise in Castanedas Büchern nähren die Vermutung, dass seine fantastischen Berichte über nicht-alltägliche Bewusstseinszustände durch die Wahrnehmung des Phänomens der Mouches volantes inspiriert ist. Der Ethnologe und Kultschriftsteller Carlos Castaneda hat massgeblich zum Aufkommen eines westlich geprägten Schamanismus im Rahmen des New Age und der Esoterik beigetragen. Mehr als zehn Bücher hat CC seit den 1960er Jahren bis zu seinem Tod im April 1998 veröffentlicht, es seien allesamt ethnologisch relevante Sammlungen von tatsächlich stattgefundenen Gesprächen und Erlebnissen mit dem mexikanischen Yaqui-Indianer und Schamanen Don Juan Matus sowie mit dessen Gefährten. Zwar ist die Authentizität von CCs Büchern nicht nur in der Ethnologie stark umstritten; doch eine weltweite Gesamtauflage in Millionenhöhe zeugt davon, dass CCs gesellschafts- und vernunftkritische Ideen Balsam für eine ganze Generation war, die ihre Ablehnung der bürgerlichen Politik und Ideologie nicht verhehlte; Balsam waren und sind die Bücher von CC auch für die darauf folgende Generation, deren spiritueller Weg nach innen kaum noch von religiösen Institutionen inspiriert ist, und die sich dankbar die faszinierende Gegenwelt der Zauberer zu eigen macht - eine alternative Wirklichkeitsbeschreibung, basierend auf den Erfahrungen erweiterter Bewusstseinszustände, untermauert durch die Authentizität eines indianischen Schamanismus und mitgeteilt in einem flotten dialogischen Schreibstil. Aufgrund meinen Erfahrungen mit subjektiven visuellen Phänomenen, interessiere ich mich in diesem Artikel für die Objekte des Sehens in den Büchern von CC. Konkret wird die Frage aufgeworfen, ob die durch den Vorgang des „Sehens“ zentralen Beobachtungen von geometrischen Formen und Objekten sowie den darauf basierenden Konzeptionen durch die Wahrnehmung von Mouches volantes inspiriert sind. Gemäss eigenen Erlebnissen sowie den Angaben des im Schweizer Emmental lebenden Sehers Nestor verstehe ich das in der Augenheilkunde bekannte entoptische Phänomen der Mouches volantes als „Bewusstseinsstruktur“, die sich durch den Prozess der Bewusstseinsentwicklung, also die gezielte und wiederholte Erweiterung des Bewusstseins zusammen mit begleitenden körperlichen und psychischen Übungen, stärker ausbildet und zu leuchten beginnt. Ich bin davon überzeugt, dass diese Bewusstseinsstruktur im Gegensatz zu den kulturell und individualpsychologisch bedingten Träumen eine universelle Wahrnehmung ist und teilweise auch in der schamanischen Praxis erzeugt wird. Meine These ist entsprechend, dass CC den Punkten und Fäden der Mouches volantes in seinen erweiterten Bewusstseinszuständen begegnet sein muss. Ich gehe also davon aus, dass CCs Erfahrungsberichte auf tatsächlich erlebten gesteigerten Bewusstseinszuständen, teilweise hervorgerufen durch die Einnahme von halluzinogenen Pflanzen, basieren, dass er aber gemäss guter Tradition schriftstellerischer und künstlerischer Freiheit diese Erfahrungen ausgeschmückt und in einen mehr oder weniger fiktiven Kontext seiner Lehrzeit bei Don Juan gesetzt hat. Was in seinen Büchern Fakt ist und was Fiktion, ist mir hier nicht möglich im Detail zu erörtern. Entsprechend kann die Ausgangsfrage auch nicht mit Gewissheit beantwortet werden. Doch CCs Erlebnisberichte vor dem Hintergrund der Wahrnehmung von Mouches volantes zu begreifen, kann ein neues und realistischeres Verständnis seiner Leistung im Rahmen der Bewusstseinsentwicklung bringen. In meinen Ausführungen stütze ich mich zum grössten Teil auf die deutsche Ausgabe der ersten sieben Bücher von CC (Die Lehren des Don Juan; Eine andere Wirklichkeit; Die Reise nach Ixtlan; Der Ring der Kraft; Der zweite Ring der Kraft; Die Kunst des Pirschens; Das Feuer von innen); die restlichen Bücher sind grösstenteils Rekapitulationen und theoretische Erweiterungen des bestehenden Systems.
Teil 1: Die subjektiven
visuellen Phänomene Die Wahrnehmung von sich bewegenden Flecken, Schatten, sowie kugelförmigen und fädenartigen Gebilden, die auf Mouches volantes hinweisen können, ist in den Büchern von Castaneda keine Seltenheit. In diesem ersten Teil betrachten wir die Beschreibungen und kontinuierliche Ausarbeitung dieser subjektiven visuellen Phänomene, namentlich die Flecken und Schatten, die Goldenen Blasen, die leuchtenden Eier und Kokons, die Linien der Welt sowie die Fäden, Fasern und Bänder.
Flüchtige Flecken und Schatten bezeichnen grundsätzlich solche Objekte, die der Betrachter nicht richtig erkennen kann. Dies trifft sowohl auf die Mouches volantes zu, die teilweise als diffuse Flecken, Schatten oder dunkle Wolken erlebt werden; und es trifft auf flüchtige Wahrnehmungen bei CC zu. CC sieht immer wieder Schatten, die DJ jeweils als irgendwelche Wesenheiten erklärt, sei es der Tod, der Verbündete oder andere Geister. Typisch ist jene Stelle im zweiten Buch, wo CC im Feuer ein flüchtiger Fleck wahrnimmt, der mit grosser Geschwindigkeit von rechts nach links huscht; bei erneutem Hinsehen gleitet derselbe Schatten von da wieder zurück. Diese Erscheinung, deren Bewegung an die Mouches volantes erinnert, wird von DJ als „Geist“ erklärt, und später bezeichnenderweise als „Blase“. Erwähnenswert
ist zudem der sogenannte „Flieger“, der einzig im zehnten Buch
„Das Wirken der Unendlichkeit“ beschrieben wird. Der Flieger
sei angeblich ein räuberisches Wesen, das sich von der Bewusstseinsenergie
der Menschen ernährt. Dieses „anorganische“ Wesen kann
als flüchtigen Schatten wahrgenommen werden, der durch die Luft „hüpft“
oder „springt“. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Interview
mit den drei „Chacmool“-Frauen (Beschützerinnen der alten
Linie der Zauberertradition, gleichzeitig aber Übersetzer der alten
Zauberkunst in eine moderne Sprache) Kylie Lundahl, Reni Murez und Nyei
Murez, erschienen im Magazin „Kindred Spirit“, 1, Juni 1995:
Angesprochen auf das „räuberische Universum“ erklären
sie, dass diese sogenannten Flieger manchmal als „floaters“
(engl. für Mouches volantes) im Auge erklärt werden.
Die Blasen, die CC im zweiten und vierten Buch während verschiedenen nichtalltäglichen Bewusstseinszuständen wahrnimmt, werden ziemlich obskur beschrieben: Sie hätten keine Hülle aber einen Inhalt, sie seien nicht rund und doch Blasen; im zweiten Buch erlebt sie CC als grünlich in der Farbe, im vierten dagegen spricht er (mit Bezug auf das Erlebnis im zweiten Buch) von goldenen Blasen. Zuweilen wird die rundliche leuchtende Erscheinung auch als Ball, Feuerball oder Feuerkugel beschrieben. Charakteristisch
ist, dass sich diese transparenten Blasen aneinander reihen und auf die
eine oder die andere Weise grösser werden: Im zweiten Buch muss CC
ihnen folgen, sie festhalten und sie besteigen, um mit ihnen fortzuschweben,
was ihm schliesslich gelingt. Im vierten Buch dagegen kommen die Blasen
auf ihn zu und hüllen ihn ein. Die Transparenz, die Aneinanderreihung
sowie das Näherkommen dieser Blasen sind Hinweise auf die Mouches volantes:
Auch da können die Kugeln sowie die Fäden, die teilweise aus aneinander
gereihten Kugeln bestehen, in intensiven Bewusstseinszuständen näher
rücken.
Transparente Blase
Neben den Blasen wird bereits im zweiten Buch die von den Sehern gesehene Form des Menschen als leuchtendes Ei beschrieben. Dieser Begriff wird aber nur kurz erwähnt und erst im fünften Buch weiter ausgeführt, wo es heisst, dass nur gewöhnliche Menschen wie Eier aussehen, während Zauberer eine Form von oben und unten abgerundeten Grabsteinen aufweisen würden. Auf diesem Unterschied wird in den folgenden Büchern jedoch nicht beharrt, vielmehr ist nur noch von „Eiern“ und später von „Kokons“ die Rede. Die Bilder dieser
Eier oder Kokons variieren: Im sechsten Buch (Die Kunst des Pirschens) beschreibt
CC, dass diese Eier eine äussere, dunklere Hülle und einen inneren
gelblich leuchtenden Kern hätten, und dass sie schwebten oder gleiteten.
In diesem und anderen Büchern erfahren wir allerdings auch, dass die
Eier in der Mitte dunkle Flecken, Dellen oder ein schwarzes Loch aufweisen
- was angeblich ein Hinweis auf Energieverlust sei, welcher durch das Zeugen
von Kindern entstünde. Beide Beschreibungen treffen auf die konzentrischen
Leuchtkugeln der Mouches volantes zu: Auch dort gibt es nachprüfbar
zwei Arten, solche mit dunklerer Aussenhülle und hellerem Kern, und
umgekehrt, solche mit dunklem Kern und leuchtender Hülle.
Der Mensch als leuchtendes Ei.
Nach DJ weist dieser
Kokon im oberen Bereich und üblicherweise auf der Aussenseite einen
helleren Fleck oder Punkt auf, den sogenannten „Montagepunkt“,
der erst ab dem siebten Buch Erwähnung findet. Durch diesen Punkt gehen
eine begrenzte Anzahl von Emanationen-Bändern hindurch. Der Montagepunkt
sei für unsere Wahrnehmung der Welt verantwortlich. Aufgrund unserer
Eingliederung in die Gesellschaft sei er zwar fixiert, könne durch
entsprechende Praktiken jedoch manipuliert, d.h. im Kokon örtlich verschoben
werden (entweder durch den Nagual-Schlag oder durch die eigene Absicht),
um die Wahrnehmung gänzlich anderer Welten zu ermöglichen.
Im dritten Buch ist erstmals von den Linien die Welt die Rede. DJ erklärt, dass aus allen Stellen unseres Körpers Linien hervortreten, die uns mit der Welt verbinden; diese Linien könnten gefühlt werden, die dauerhaftesten kämen aus unserer Körpermitte. Nicht-tun ist dabei die Übung um die Welt durch diese Linien zu fühlen. CCs Wahrnehmung der Linien im selben Buch geschieht während er in die tief stehende Sonne blickt. Dies könnte grundsätzlich auf die Leuchtfäden der Mouches volantes hinweisen, welche bei hellen Lichtverhältnissen am besten gesehen werden. Allerdings heisst es auch, dass man mit diesen Linien auf jemanden einwirken könne, und im Buch darauf beginnen die Beschreibungen der Fortbewegung mittels dieser Linien. Der Begriff der „Linie“ ist wie derjenige der „Blase“ ebenfalls nicht konstant: In späteren Büchern werden die Linien von den „Fäden“ und „Fasern“ abgelöst.
Die Wahrnehmung von Fäden und Fasern ist ein durchgängiges Thema bei CC. Diese Fäden strahlen ein eigenes Licht aus und werden oft als vibrierend oder zitternd beschrieben. In den meisten Fällen treten die Fasern im Zusammenhang mit dem Sehen eines Menschen als leuchtendes Ei oder Kokon auf: Der Mensch bzw. das leuchtende Ei besteht aus diesen Fasern, und die Fasern erstrecken sich aus der Körpermitte, bzw. der Mitte des Eies. Allerdings können diese Fasern auch unabhängig von der Wahrnehmung leuchtender Kugeln oder Eier auftreten, etwa als CC im dritten Buch eine Bergkette als Netz aus Fasern sieht, oder wenn gesagt wird, dass der ganze Kosmos aus diesen Fasern besteht und wir durch die Fasern mit allem verbunden sind. Meistens wird „Faser“ gleichbedeutend mit „Faden“ gebraucht; im sechsten und siebten Buch aber wird das Verhältnis geklärt und das Konzept ausgebaut: Ein Faden ist eine dünne Faser, während eine dicke Faser als „Tentakel“ bezeichnet wird. Weiter heisst es, dass ein Mensch seine Fasern durch Interaktion in anderen Menschen zurücklassen kann, sei es zur Heilung des Menschen oder zu einer anders gearteten Manipulation. Im siebten Buch schliesslich ist vermehrt von (faserigen) „Bändern“ die Rede, welche teilweise vom leuchtenden Kokon umschlossen werden. Ein Bündel solcher Bänder werden „Emanationen des Adlers“ genannt, es gebe deren 48, wobei nur ein einziges solches Bündel uns organische Wesen ausmache. Das Sehen dieser Fasern gibt Aufschluss über den betrachteten Menschen: je dicker, länger und leuchtender die Fasern, desto bewusster und energiereicher sei der Mensch. Diese Fasern haben zudem eine ganz praktische Funktion: Sie dienen der paranormalen Fortbewegung, eine Idee, die ab dem zweiten Buch (Genaros Balanceakt) dominierend wird. Durch diese Fasern kann sich ein Zauberer überall im Gelände festhalten und sich überall hinziehen; er kann also mühelos die Schwerkraft überwinden und fliegen, wobei dies durchaus auch körperlich zu verstehen ist. Der Bezug zu den
Leuchtfäden der Mouches volantes ist hier schwierig, einerseits weil
über die konkrete Erscheinung der Fäden nicht viel mehr gesagt
wird, als dass sie leuchten und vibrieren, und anderseits aufgrund ihrer
fantastischen Funktionen jenseits der blossen Beobachtung (siehe Kapitel
3: Generelle Unterschiede).
Teil 2: Begleitende Aspekte beim Sehen der Mouches volantes Im zweiten Teil des Artikels gehe ich auf Begleitumstände des Sehens ein, konkret auf die Sehtechniken, sowie die Konzepte des rechtsseitigen und linksseitigen Bewusstseins, des Zoom-Effekts und des Willens. Diese begleitenden Aspekte haben Entsprechungen in Nestors Lehre, welche für das Sehen zentral sind.
Konkrete Techniken des Sehens finden wir nur vereinzelt. Dass aber die menschlichen Augen an beiden Funktionen beteiligt sind, sowohl am gewöhnlichen „Schauen“ wie auch am wesenhaften „Sehen“, bestätigt DJ im zweiten Buch. Für Nestor dagegen spielen die Augen nur eine bedingte Rolle beim Sehen; Sehen ist für ihn eine Funktion des „inneren Sinnes“, welchen er als eine Zusammenfassung aller physiologischen Sinne versteht. Im fünften Buch, wo die Kunst des „Gaffens“ beschrieben wird, wird CC angewiesen, durch die Wimpern seiner halbgeschlossenen Augen ein Netz von Lichtfasern zu sehen. Dieses Sehen durch die Wimpern ist für unseren Vergleich von Bedeutung: Denn in den unscharf wahrnehmbaren Wimpern, auf die Sonnenstrahlen treffen, können wir nachprüfbar ein ganzes Meer von bewegenden Kugeln und Fäden sehen - die Leuchtstruktur des Bewusstseins. Für Nestor ist diese Übung ein äusseres Hilfsmittel: Das durch die Wimpern gestreute Licht intensiviert die Mouches volantes und zeigt ihre alles durchdringende Präsenz. Dafür sagt das Sehen dieses Leuchtkugelmeeres nicht viel über unseren Fortschritt in der Bewusstseinsentwicklung aus, denn wir können nur bei offenen Augen feststellen, welche Punkte und Fäden wir bereits so stark beleuchten, dass wir sie auch ohne zusätzliches Licht sehen. Das Gaffen wird bei CC auf alles Mögliche angewandt: Auf Blätter, Steine, bewegte und unbewegte Lebewesen, Wolken, Regen, Feuer etc. Unklar ist, ob hier jedes Mal ein Netz aus Lichtfasern gesehen werden sollte oder nicht. Die Rede ist stattdessen von Farbwahrnehmungen, die dabei entstünden, und die für die entsprechenden Gegenstände oder Lebewesen charakteristisch und aussagekräftig seien. Solche Farbwahrnehmungen lassen sich als komplementärfarbene Nachbilder interpretieren, die bei längerer Konzentration auf Objekte entstehen - eine Übung, die laut Nestor eine Vorstufe zum Sehen der Mouches volantes ist. CC beschreibt in diesem Zusammenhang auch die zwei Arten des Sehens: Der nicht-fixierte Blick bei weit offenen Augen, wo das Bewusstsein förmlich mit Sinneseindrücken überflutet wird; und der fixierte Blick, das konzentrierte Anschauen („Gaffen“) eines Gegenstandes. CC lernt beides, während Nestor der Ansicht ist, dass wir uns v.a. in der Konzentration auf einen Gegenstand bzw. auf die Mouches volantes und damit das Festhalten der Punkte üben sollten. Weiterhin scheint das Sehen bei CC weniger vom Licht abhängig zu sein als das Sehen der Mouches volantes. Während jene am besten bei Tageslicht gegen den Himmel oder eine helle Fläche gesehen werden, geschieht das Sehen bei CC zu allen Tageszeiten, also auch in der Dunkelheit; und bei Tageslicht muss CC häufig auf dunkle Stellen, auf Löcher, Einbuchtungen und Schatten schauen (v.a. in Buch drei, vier und fünf). Teilweise geschieht dieses Schauen auf Schatten bei CC in Kombination mit einem Schielen, wo man die zwei Bilder auseinander schiebt und dadurch zwei gleichgeformte Gegenstände übereinander lagert, um eine Tiefenwahrnehmung zu erwirken. Dieser Vorgang, den Nestor „Doppeln“ nennt, ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutend, denn er kann zur vermehrten Wahrnehmung der Mouches volantes führen, da man die Punkte und Fäden während des starken Doppelns konzentrierter, d.h. heller und leuchtender sieht. Zudem hilft diese Übung, die Punkte und Fäden besser festzuhalten.
Die Einteilung des Bildes in eine rechte und linke Seite des Bewusstseins wird in der Lehre Nestors auf das Sehen zurückgeführt; konkret können wir sehen, dass wir Punkte und Fäden in der linken wie in der rechten Sehhälfte haben. Damit verbunden ist der Weg in der Leuchtstruktur, den wir durch Bewusstseinsentwicklung zurücklegen; er führt von einer Vielzahl von kleineren Kugeln und Fäden zu einigen wenigen grossen Kugeln in der linken Hälfte. Daher verbindet Nestor die linke Hälfte mit dem ursprünglichen Bewusstsein, welches uns ermöglicht, die Grenzen der Unterscheidungen zu durchbrechen und die Welt einheitlicher und gleichwertiger zu sehen; während die rechte Bewusstseinshälfte die Seite der Vernunft ist, welche spaltet, abgrenzt, einteilt - sehbar an den vielen kleinen „Einheiten“, den Kugeln und Fäden. Rechte und linke Seite haben wir auch in der Lehre von DJ, wo die Assoziationen dieselben sind: linke Seite der Bewusstheit ist das „Nagual“, ein unvorstellbares Bewusstsein bar jeglicher Rationalität und Gedanken; rechts dagegen herrscht das Tonal, unser Alltagsbewusstsein. Allerdings wird hier die linke und rechte Bewusstseinsseite nicht wie bei den Mouches volantes beim Sehen unterschieden, sondern das Sehen wird bei CC als Resultat linksseitiger Bewusstheit aufgefasst.
Nestor spricht davon, dass in sehr intensiven Bewusstseinszuständen das Bild plötzlich näher rücken kann, d.h. dass das betrachtete Objekt auf einen Schlag näher kommt und grösser wird. Gleichzeitig passiere dasselbe mit den Leuchtkugeln und -fäden, was laut Nestor zeigt, dass die materielle Realität und die Bewusstseinsstruktur untrennbar verbunden sind. (Nestor spricht in diesem Zusammenhang von „Leinwand“ und suggeriert damit, dass die äussere Erfahrungswelt eine Projektion unserer Bewusstseinsinhalte ist - womit eine Unterscheidung zwischen Aussen und Innen irrelevant wird.) Diesen „Zoom-Effekt“
treffen wir auch bei CC an. Die Stellen sind allerdings selten, und CC macht
dabei keinen Bezug zu visuellen geometrischen Figuren. Am klarsten formuliert
wird der Zoom-Effekt im fünften Buch: Hier rückt ein als dunkler
Fleck wahrgenommenes Loch in einer Felswand plötzlich näher, als
sich CC unter Anleitung von La Gorda im „Gaffen“ übt. Dabei
wird dieser Fleck heller, und CC hat den Eindruck, sich ihm zu nähern,
ohne sich zu bewegen. Wir erfahren, dass dieses „Drauflos-Zoomen“
(wörtl. im fünften Buch) die visuelle Entsprechung des „Anhaltens
des inneren Dialogs“ sei. Dies stimmt wiederum mit Nestors Vorstellung
überein, dass diese visuelle Erfahrung nur in Zuständen grösster
Entspannung eintritt, welche auch nicht durch Gedanken getrübt sind.
Die Schichten des Bewusstseins?
Wenn dieser Zoom-Effekt bei CC durch das Anhalten von Gedanken (bzw. „innerer Dialog“) zustande kommt, erwähnt Nestor zusätzlich ein körperliches Gefühl, das man dabei erlebt: nämlich ein entspannendes Gefühl des Prickelns am Körper, welches in intensiveren Bewusstseinszuständen zu einer lang andauernden Ganzkörperekstase werden kann. Dieses Gefühl sei Energie, die direkt ins Bild als ein Ganzes gegeben wird. Bei CC finden wir keinen Bezug auf den Begriff der „Ekstase“, mit einer Ausnahme: Im ersten Buch ist das Hervorbringen von Ekstase eine der Eigenschaften desjenigen Verbündeten, der in psilocybe mexicana enthalten ist (im Gegensatz zu Verbündeten, die in anderen halluzinogenen Pflanzen enthalten sind). Was jedoch diese Ekstase genau ist, erfahren wir nicht. Es gibt in den Lehren des Don Juan jedoch ein Konzept, welches Nestors Ekstase nahekommt: der „Wille“. Im zweiten Buch erfahren wir, dass der Wille eine Energie sei, die von innen nach aussen geht, bzw. aus dem Körper des Sehers hervorschiesst oder ausbricht, nachdem die unsichtbare Spalte in der Nabelregion offen genug ist. Der Wille sei das Bindeglied zwischen Mensch und Welt, und er lasse uns die Welt erkennen, sei aber gleichwohl verschieden vom „Sehen“. Der Wille sei auch unabhängig von Gedanken und Wünschen, und man könne direkt fühlen, wie er aus dem Leib kommt. Dies stimmt weitgehend mit Nestors Ekstase überein, mit Ausnahme der Tatsache, dass DJ das Fühlen des Willens auf eine Stelle in der Nabelgegend, bzw. bei Frauen auf den Uterus beschränkt. Problematischer
sind solche Aussagen, wo der Wille nicht eine unpersönlich und „blinde“
Kraft ist (wie der Wille im siebten Buch erklärt wird), sondern angeblich
zur gezielten Manipulation von Gegenständen und zur Fortbewegung in
Träumen eingesetzt werden kann. Hier wird die Bedeutung des Willens
zugunsten der „Absicht“ zurückgestuft, verstanden als zielorientiertes
Einsetzen des Willens: Das „Fortbewegen in Träumen“ könnte
noch als Zoom-Effekt während intensiveren Bewusstseinszuständen
interpretiert werden, doch das gezielte und erfolgreiche Einwirken auf Menschen
und Gegenstände mit bestimmten Absichten hingegen widerspricht Nestors
Konzept einer unpersönlichen und unabsichtlichen Ekstase.
Teil 3: Generelle Unterschiede Der dritte Teil fragt nach generellen praktischen und ideologischen Unterschieden in der Lehre des Don Juan und des Nestor. Dazu gehört die Beziehung der subjektiven visuellen Phänomene zur physischen Welt, die Manipulation der physischen Welt in Castanedas Büchern und der Begriff des Sehens.
Ein wichtiger Unterschied zwischen den Lehren von Nestor und DJ ist das Verhältnis zwischen der physischen Welt und der Kugelgebilde in intensiveren Bewusstseinszuständen: Bei CC werden solche „Kokons“ stark mit Gegenständen oder Personen identifiziert; diese Identifikation ist keine intellektuelle Übung sondern wird visuell erfahren. Beispiele sind solche Stellen, wo CC Menschen in einer Blase sieht, bzw. leuchtende Hüllen, die die menschlichen Körper umgeben (obwohl sich andernorts das Sehen der physischen Körper und der Eier gegenseitig ausschliessen). Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch das Kapitel „Zusammen sehen“ im sechsten Buch, wo diesen Eiern eine so objektive Realität eingeräumt wird, dass CC und La Gorda sie gemeinsam sehen und sich darüber unterhalten können. Diese unmittelbare Identifikation erlaubt es, aufgrund der Eigenschaften des Kokons und der Fasern Rückschlüsse auf die Bewusstheit des gesehenen Menschen, seine Gefühlsverfassung, sogar seine Absichten etc. zu machen. Nach Nestor entspringt diese Vorstellung zu sehr der Fantasie und hat mit dem Wunsch des Menschen zu tun, seine Mitmenschen eindeutig und auf einen Blick direkt durchschauen und beurteilen zu können. Die für die meisten Menschen wahrnehmbaren Mouches volantes hingegen gleiten über die materiellen Gegenstände hinweg; nur in den fortgeschrittenen, sehr intensiven Bewusstseinszuständen vereinigen sie sich als Leuchtstruktur mit dem betrachteten Gegenstand; dies bedeutet, dass die Leuchtstruktur den Gegenstand strukturiert, nämlich aufteilt in Licht und Materie, wobei die physische Realität sich nunmehr an den Rändern der mit Licht durchfluteten Struktur abspielt. In diesem Moment erhält ein Seher zwar ein direktes Wissen über das menschliche Bewusstsein und das Bild als Ganzes, doch dieses Wissen darf nicht mit spezifischen Gedanken oder Gefühlen verwechselt werden, welche sich exklusiv auf den konkret angeschauten Gegenstand beziehen - denn komplexe Gedanken und Emotionen zu haben sind energieverschlingende Handlungen und gehen auf Kosten des Sehens. Die gedankliche und gefühlsmässige Ausformulierung des Gesehenen, ist etwas, das erst in einem zweiten Schritt erfolgt: So ist Nestor beispielsweise mit CC durchaus der Ansicht, dass es sich bei den Leuchtkugeln um die kleinste Einheit dessen handelt, was uns im Kern ausmacht: Bewusstsein. Doch diese Verknüpfung kann nicht direkt gesehen werden, sondern ist Teil von Nestors Sehtheorie.
Es bleibt aber nicht bei der blossen Beurteilung der physischen Welt aufgrund des Sehens; das Sehen ermöglicht bei CC sogar deren Manipulation. Insgesamt legt CC viel Gewicht auf den physischen Kontakt mit energetischen Kugel- oder Linienerscheinungen. Von da ist der Gedankensprung, dass man auf diese Energielinien und -kugeln sowie auf die von ihnen zusammengesetzte Welt einwirken kann, klein. Programmatisch ist die Vorstellung, dass Energiekugeln oder -linien bewusst „ergriffen“ und als Fortbewegungsmittel gebraucht werden können, um Distanzen körperlich zu überwinden. Hier klaffen die Lehren von DJ und Nestor auseinander. Nestor zufolge ist eine solche Vorstellung widersprüchlich, da seinen Erfahrungen gemäss die Energie entweder für das Handeln oder aber für das Sehen gebraucht wird. D.h. das intensive Sehen der Bewusstseinsstruktur ist eine selbstgenügsame reine Beobachtung, und jede (körperliche, emotionale, gedankliche) Handlung würde, wie oben festgestellt, Energie von der Leuchtstruktur abziehen und diese Wahrnehmung daher empfindlich beeinträchtigen. Meiner Ansicht nach arbeitet CC hier mit menschlichen Idealen, Bildern, die wir uns seit Alters her von „Heiligen“ und „Erleuchteten“ und „Visionären“ machen, welche körperliche und geistige Wunderkräfte einschliessen - Wunderkräfte, wie sie beispielsweise in Comic-Helden à la Superman auf die Spitze getrieben werden. Das für Menschen Wichtigste an solchen Wunderkräften ist ihre Objektivierbarkeit: Man kann sie sehen, erleben, empfinden.
CCs Konzept des „Sehens“ ist untrennbar mit der physischen Realität im Sinne ihrer absichtsvollen Manipulation und Beurteilung verknüpft: Handlungen wie der Nagual-Schlag oder das Ergreifen von Energielinien zwecks körperlicher Fortbewegung setzen das Sehen voraus. Und das Sehen bezieht sich bei CC auch auf die Alltagsrealität, so dass die Inhalte erweiterter Wahrnehmung materiellen Objekten zugeordnet werden können und es möglich ist, „zusammen zu sehen“. Nach Nestors Auffassung hingegen kann das Sehen, wie oben festgestellt, nicht gleichzeitig mit manipulativen Aktivitäten einhergehen, auch nicht mit der Beurteilung von physischen Gegenständen oder Menschen. Ein solches Sehen wäre nicht unmittelbar genug, da es mit Gedanken und Absichten verbunden ist - gebundene Energie, die in diesem Moment nicht für das Sehen selbst investiert werden kann. Eine ähnliche Vorstellung treffen wir bei CC nur an einer Stelle an, nämlich im zweiten Buch, wo DJ das Sehen scharf von der manipulativen Zauberei abgrenzt; das Sehen lasse uns die Unwichtigkeit aller Dinge erkennen und hätte keine Auswirkungen auf die Mitmenschen. Sehen sei die Wahrnehmung der Dinge, wie sie wirklich sind. Traumwahrnehmungen dagegen (wie z.B. der grüne Nebel) werden lediglich als Beinahe-Sehen bewertet. Diese Passage ist
jedoch ein Einzelfall. Alles in allem deckt das Sehen bei CC ein viel breiteres
Spektrum ab: Sehen meint: Nestors Begriff
des Sehens dagegen beschränkt sich zunächst auf die Wahrnehmung
von abstrakten energetischen Strukturen (Mouches volantes), geht aber in
sehr intensiven Bewusstseinszuständen einher mit der entspannenden
Ekstase sowie dem „direkten Wissen“, einer Intuition über
den Ursprung und die grossen Zusamenhänge unseres Daseins.
Teil 4: Zusammenfassung und Fazit Wie wahrscheinlich
ist es, dass Castanedas Werk auf der Wahrnehmung der Mouches volantes basiert?
Warum hat er diese Punkte und Fäden nicht realistischer dargestellt,
sondern im Gegenteil mit jedem weiteren Buch mythischer und komplizierter,
sowohl was die Wahrnehmung wie die Erklärung anbelangt? Dies sind die
Fragen des letzten Teils. Einen expliziten Hinweis, dass es sich bei den aussergewöhnlichen Wahrnehmungen geometrischer Strukturen um Mouches volantes handeln könnte, finden wir in den Büchern von CC nirgends. Was wir finden, ist eine teilweise Übereinstimmung der Beschreibungen solcher Wahrnehmungen mit den Mouches volantes. So können die bei CC beschriebenen Blasen, Feuerkugeln und -bälle, leuchtenden Eier und Kokons durchaus als Leuchtkugeln der Mouches volantes verstanden werden; die Energielinien, Fäden, Fasern, Tentakel wiederum deuten auf die Leuchtfäden hin. Weiterhin finden wir bei den Seh-Techniken und Vorgängen während des Sehens (Zoom-Effekt, Wille als Ekstase) Entsprechungen zwischen den Lehren des DJ und des Nestor. Gleichzeitig gibt es jedoch Aussagen, welche eine Vereinbarkeit verunmöglichen, v.a. dort, wo es um eine Gleichzeitigkeit von Sehen und manipulativem Handeln geht. Erschwerend ist weiterhin, dass die Bedeutungen und Beschreibungen der genannten Phänomene in CCs Werk selbst nicht einheitlich sind, sondern sich durch die Bücher hindurch verändern. Diese Veränderung geht in Richtung Komplexität: Die runden und fädenartigen visuellen Phänomene werden zunehmend detaillierter beschrieben, sowohl was ihre Erscheinung als auch ihre Funktion betrifft. Trotzdem ist es meiner Ansicht nach nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass die Wahrnehmung von Mouches volantes inspirierend auf CCs Werk gewirkt hat: Einerseits ist das Phänomen der Mouches volantes bei den Leuten um Castaneda bekannt, wie das Interview mit den Chacmool-Frauen gezeigt hat. Anderseits ist es aufgrund Nestors Erfahrung nur schwer vorstellbar, dass sich ein Mensch über Jahre hinweg immer wieder in intensivere Bewusstseinszustände begibt um sich in höchster (visueller) Aufmerksamkeit zu üben, ohne jemals die Entwicklung der Mouches volantes zu beobachten. Die Verbindung von Bewusstseinsfortschritt und Mouches volantes wird vielleicht nicht von Anfang an erkannt; doch je länger die Phase der Beobachtungen und Vergleiche der eigenen Zustände mit der visuellen Wahrnehmung dauert, desto sicherer wird es, dass der oder die Suchende die tiefergehende Bedeutung der Mouches volantes realisiert. Ob allerdings CC selbst dieser Mensch war, der sich so intensiv um die Bewusstseinsentwicklung bemühte und diese Mouches volantes gesehen hatte, ist wieder eine andere Frage - und damit sind wir bei der Gretchenfrage: Wenn CCs Werk tatsächlich durch die Mouches volantes inspiriert ist, warum wird das in keinem Buch klipp und klar gesagt? Denkbar sind folgende Szenarien: 1) CC wusste nichts von Mouches volantes und konnte sie selbst nicht sehen. In diesem Fall wäre es Don Juan (oder wer immer sein Informant und Lehrer war) gewesen, welcher von seinen aussergewöhnlichen Wahrnehmungen von leuchtenden Kugeln und Fäden berichtete und diese vielleicht selbst ausschmückte. Wenn dieser Mensch tatsächlich ein mexikanischer Indianer ohne Zugang zu westlich akademischem Wissen war, so ist anzunehmen, dass er die augenheilkundliche Erklärung der Mouches volantes nicht kannte. Möglich ist auch, dass CC in der Universitätsbibliothek von Los Angeles auf Weltbeschreibungen und kosmische Darstellungen alter mesoamerikanischer Kulturen stiess, in welchen kugel- und fädenartige Gebilde und Verzierungen oftmals eine prominente Rolle spielen - was wahrscheinlich ebenfalls auf die Wahrnehmung von entoptischen Phänomenen wie den Mouches volantes zurückgeht, sofern die Kunst durch schamanische Visionen inspiriert ist (dies ist jedoch Gegenstand eines anderen Newsletters). In jedem Fall wäre die moderne medizinische Erklärung nie ins Gespräch eingeflossen. 2) CC hat die Mouches volantes selbst gesehen und vielleicht infolge seiner bewusstseinsfördernden Praktiken auch ihre tiefere Bedeutung erkannt. In seinen Büchern hat er sie aber sehr stark mythisch verklärt, denn sein Zielpublikum suchte die fantastischen Aspekte der Realität, nicht die rationalen Erklärungen. Vielleicht kannte CC sogar von Anfang an die medizinische Bedeutung des entoptischen Phänomens. Dies konnte er aber aus verständlichen Gründen nie preisgeben, denn eine Aufklärung hätte seinem ganzen Werk nicht nur einen stark rationalen Anstrich verpasst, sondern hätte es regelrecht pathologisiert. Die Kritik wäre auf dem Fuss gefolgt: CC lässt sich von einem mexikanischen Schamanen in die Zauberkunst des makellosen Gaffens auf eine „Augenkrankeit“ einweihen ... Wie auch immer: Klar ist jedenfalls, dass CC nicht nur hohe Anforderungen an unsere Toleranz und Vorstellungskraft stellt, sondern uns durch theoretische Erweiterungen und begriffliche Veränderungen auch einen grossen Interpretationsspielraum seines Werkes eröffnet - einen Interpretationsspielraum, in den auch die Mouches volantes mit grosser Wahrscheinlichkeit passen. Symptomatisch hierfür ist die Stelle im siebten Buch „Das Feuer von innen“, wo DJ CCs Wahrnehmung von Feuerkugeln detaillierter auslegt, es seien in Wahrheit keine Feuerkugeln, sondern irisierende Ringe. Als CC Genaueres über diese irisierenden Ringe in Erfahrung bringen will, protestiert DJ: „Nimm mich nicht so wörtlich.“
Dass es für eine ganzheitliche Erkenntnis unserer Welt mehr braucht, als nur denken und dichten, sollte sich mittlerweile von selbst verstehen. Dies bestätigt in beispielhafter Weise der Dichter Johann Wolfgang von Goethe in seiner Gedichtsammlung „Zahme Xenien“ (1827). Goethe, für sein Interesse an Mystik und Alchemie bekannt; für seine alternative Farbenlehre bei Naturwissenschaftlern berüchtigt, bei esoterischen Farbtherapeuten dagegen oft hochgeschätzt; Goethe, der selbst die Kontrastfarben und Nachbilder in seine Lehre integriert hatte, zu einer Zeit, als solche von Optikern und Physikern noch als „Augentäuschung“ abgetan wurden, gibt sich beim Thema Mouches volantes ganz nüchtern: Wie im Auge mit
fliegenden Mücken, -- Zahme Xenien, VI Damit reiht sich
Goethe in die gängige Ansicht ein und fasst das „Problem“
Mouches volantes auf acht Zeilen zusammen, wie es sich bis heute hält:
Die Gleichsetzung von fliegenden Mücken und Sorgen einerseits deutet
auf die psychologische Ansicht hin; die Verlegung des Phänomens in
die Augen anderseits beschreibt Mouches volantes als Objekt der Chirurgie.
Die Bezeichnung der Mouches volantes als „Spinnewebengrau“ verrät
indessen, dass der Dichter wohl nicht zu jener Konzentration willens oder
fähig war, die es Bedarf um das Leuchten in den Punkten und Fäden
zu sehen. Zwar sollten wir einen Menschen nie nur nach einem einzelnen Begriff
beurteilen, steht doch in Goethes Faust, Namen seien nur Schall und Rauch.
Aber der Rauch? Schon wieder eine Trübung …
Danke, X., fürs Kompliment. Dass das Buch „Mouches Volantes“ meinen Lesern einleuchtet, wünsche ich mir natürlich schon. Dass es gleich die Wahrnehmung durchleuchtet, hätte ich mir dagegen nicht träumen lassen. Vielleicht sollte ich auch mal meinen Wirkungskreis erweitern?
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